„Hallo Manfred und danke, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst. Lass uns doch erst einmal einen Blick zurückwerfen: Was war denn für dich als Softwarearchitekt und Angular-Experte die wichtigste technologische Neuerung 2020?
Manfred Steyer: Das war auf jeden Fall Module Federation, weil es ganz neue Use Cases erlaubt, die meine Kunden schon seit langem brauchen. Bisher musste man für die Umsetzung von Micro-Frontend-Architekturen, bei denen unabhängige sowie separat deployte Anwendungen zur Laufzeit geladen werden, ordentlich in die Trickkiste greifen. Mit Module Federation haben wir endlich eine geradlinige Lösung dafür.
Im Herbst 2020 ist ja auch Angular 11 erschienen. Wie würdest du das Release beschreiben?
Manfred Steyer: Ich würde sagen, Version 11 ist eine weitere Abrundung. Die Entwicklung bei Angular ist ja wirklich sehr evolutionär – genau das, was man auch im Enterprise-Umfeld, wo Angular stark ist, braucht: Keine großen Umbrüche, dafür ein kleines Bündel an neuen Features alle 6 Monate.
Ganz ohne Neuerungen kam Angular 11 aber ja auch nicht aus. Was ist denn für dich spannend daran?
Steyer: Die wichtigste Neuerung für mich und viele meiner Kunden ist, dass das Angular CLI nun webpack 5 unterstützt – zumindest ist das ein experimentelles Feature. webpack 5 ist wichtig, weil es mit Module Federation eine sehr solide und innovative Lösung für die Umsetzung von Micro Frontends bietet. Hierzu haben wir in der Vergangenheit viele Tricks und Workarounds einsetzen müssen. Die brauchen wir zum Glück nicht mehr.
Und was denkst du, wie es da 2021 weitergehen wird?
Manfred Steyer: Die webpack-5-Integration wird hoffentlich mit dem CLI 12, das im Frühling 2021 kommt, produktionsreif sein. Aktuell handelt es sich dabei nur um ein experimentelles Opt-In. Das Ganze ist also derzeit eher etwas fürs Prototyping.
Du hast die Weiterentwicklung von Angular 11 ja gerade eben als „evolutionär“ bezeichnet. Wenn man sich das gesamte JavaScript-Ökosystem anschaut, würdest du sagen, dass es da inzwischen auch eher ruhiger wird oder stehen wir vor der nächsten Disruption?
Manfred Steyer: Ich erlebe die Web-Welt derzeit als eher evolutionär. In der Zeit vor 2015 habe ich sie dagegen als sehr (fr-)agil wahrgenommen. Mittlerweile haben sich gewisse defacto-Standards herauskristallisiert und das bringt Stabilität.
Das soll aber nicht heißen, dass es keine neuen und innovativen Entwicklungen gibt. Neben Module Federation hat zum Beispiel das Team hinter Nx einige coole Sache eingeführt, wie inkrementelle Builds und Tests sowie einen Build-Cache. Die Idee ist zwar nicht neu – beispielsweise würde Bazel dasselbe leisten – aber es ist gefühlt das erste Mal, dass sowas als quasi Turn-Key-Solution für einen Main-Stream-Stack wie Angular oder React zur Verfügung steht.
Ich denke aber auch an die React Server Components, die sehr wohl das Potential haben, frischen Wind und eventuell sogar einen Paradigmenwechsel zu etablieren.
Wenn du dir etwas für die JavaScript-Welt wünschen dürftest, was wäre das?
Manfred Steyer: Irgendwie wäre es cool, wenn mehr Browser die Technologien, die man mit Progressive Web Apps assoziiert, implementieren würden. Chrome ist da ja Vorreiter, aber Safari steht auf der Bremse.
Im Übrigen freue ich mich auf den Tag, wo ich Angular-Anwendungen ohne Angular-Module (die ursprünglich gar nicht geplant waren und alles etwas komplizierter machen) entwickeln kann. Dasselbe gilt für Angular-Anwendungen, die ohne Zone.js auskommen.
Du bist natürlich als Angular-Experte bekannt; uns interessiert aber auch immer der Blick über den Tellerrand. Gibt es ein Tech-Thema jenseits von Angular, mit dem du dich 2021 gern beschäftigen möchtest?
Manfred Steyer: Ich habe mir angewöhnt, jedes Jahr zur Horizonterweiterung ein Spaß-Projekt mit Technologien zu machen, die sonst gar nicht in meinem Fokus liegen. In den letzten Jahren waren das z. B. ein Pascal-Compiler, der nach Web Assembly kompiliert oder eine eigene 3D-Engine auf Basis von Canvas2D.
Für 2021 habe ich schon ein paar Ideen, wie Deep Learning mit TensorFlow oder Stream-Processing mit Spark. Eigentlich möchte ich auch mal mein eigenes neuronales Netzwerk von der Pike auf, also ohne irgendwelche Bibliotheken, implementieren. Ghostwriter Facharbeit hat diesen Text mitgestaltet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Ann-Cathrin Klose.